Die Red Hot Chili Peppers begleiten mich nun schon beinahe zwei Drittel meines nicht mehr ganz so jungen Lebens. Ihr Meilenstein Blood Sugar Sex Magik weckte im zarten Alter von zwölf Jahren den Wunsch in mir das Bass-Spiel erlernen zu wollen, welchem ich dann in endlosen Kinderzimmer-Sessions vor allem mit Hilfe ihrer ersten vier Studio-Alben für die EMI nach- gekommen bin. Wenn man so will, begann meine musikalische Früherziehung also mit den frühen Peppers, den großen Crossover – Pionieren.
Die entfesselte Stil-Verknüpfungs-Neugier ihrer jungen Jahre ist, nach dem noch immer gewaltig unterschätzten One Hot Minute, allerdings mit der Zeit immer mehr zugunsten großflächig angelegtem Pop gewichen. Crossover gab es seit dem Kassenschlager Californication nur noch vereinzelt. Und wenn, dann hatten selten dämliche Titel wie Throw Away Your Television, Get On Top oder superpeinliche Session-Überbleibsel wie Fat Dance kaum noch Substanz und legten stets die Vermutung nahe, ihre Existenz beruhe einzig und allein darauf es den alten Fans rechtmachen zu wollen. Neben aufgeräumten und clever arangierten Mainstreamsongs wie Scar Tissue, This Velvet Glove oder Universally Speaking wollte das dann nur noch unnötiger, bemühter und umso deplatzierter wirken. Die Transformation von der Organic Anti Beat Box Band hin zu den Melancholy Mechanics, die sie heute sind, ist an sich also gerechtfertigt.
Während mich By The Way von 2002 als Ganzes dann doch eher kalt lies, kam Stadium Arcadium 2006 als überraschend fantastisches Spätwerk um die Ecke. Satte 28 Songs. Kaum Ausfälle. Keine Selbstverständlichkeit!
Als Frusciante anschließend ging hätte man es also gut sein lassen und mit einem großen Knall abtreten können. Das dröge I’m With You von 2011 nämlich wollte nicht so recht zünden und erweckte den Eindruck, die Band habe ihr Pulver verschossen. Aber hey: Der neue Gitarrist Josh Klinghoffer erwies sich als Wahnsinnstyp. Seinem zutun ist es geschuldet, dass die Live-Sets fortan wieder um Welten spannender, abwechslungsreicher und unterhaltsamer ausfallen als die der vorherigen Dekade. Mit Aeroplane fand z.B. erst kürzlich ein Song der Navarro-Phase den Weg zurück ins Set. Das wäre John Frusciante nicht in die Tüte gekommen. Und was den Rest der Band betrifft, so ist dieser Move weit außerhalb ihrer Comfort-Zone anzusiedeln. Noch viel weiter draussen: Die Entscheidung sich und sein Schaffen erstmals seit 1991 einem neuen Produzenten anzuvertrauen. Statt ihrem ehemaligen Mentor Rick Rubin saß nun bei der aktuellen Platte Danger Mouse an den Reglern. Es waren solche mutigen Schritte, die jeglichem Bruno-Mars-Eiertritt zum Trotze auf den zweiten Output mit Klinghoffer hoffen ließen (#Hofferhoffen).
Das grandiose Cover-Artwork, die großartige Vorab-Single Dark Necessities (minus der plumpen Slap-Bass-Line aber plus nettem Videoclip), der sympathisch kleine Karaoke-viral-Hit (minus gruselig bis eklig aufdringlichem Flea aber plus allem anderen) oder die jüngst absolvierten Festival-Auftritte schürten die Vorfreude zuletzt dann doch überraschend hoch.
Und waren es nicht diese Faktoren, die einen positiv auf die neue Platte einstimmten, dann doch diverse Statements aus dem Band-Zirkel, Danger Mouse habe Anthony Kiedis stets dazu ermutigt vorhandene Texte, Pattern und Melodien immer wieder zu verwerfen, neue Ideen einzubringen. Er könne es schließlich besser.
That’s where he was wrong… Er kann es nicht besser. Und wenn doch, dann kann man sich vor den verworfenen, ersten Songskizzen wohl nur fürchten. Wie hat Fred Sablan erst kürzlich im nach wie vor empfehlenswerten Hour Of Goon – Podcast bemerkt: „The music is great. But I can’t stand Anthony Kiedis. […] He’s the weakest link of this band“.
Und das bringt das Dilemma leider vortrefflich auf den Punkt. Musikalisch gesehen wäre The Getaway vielleicht keine Großtat, aber sicherlich mehr als gut gemacht und an vielen Stellen schwer hitverdächtig. Sobald Kiedis aber mit seinem uninspirierten, einfallslosen, langweiligen, vorhersehbaren und tonal ewig gleichen Sing-Sang-Geseier loslegt wird jeder Anflug von Magie sofort im Keim erstickt. Von den plumpen Texten ganz zu schweigen, die bei Songtiteln wie Dreams Of A Samurai oder Go Robot aber im Grunde wohl vorprogrammiert sind… Der Finger ist somit schneller auf der Skip-Taste als einem lieb ist, was wirklich schade ist, da die Produktion einiges kann. Der neue Drum-Sound z.B. ist ein echter Sprung nach vorne. Außerdem kommt der vermehrte Einsatz von Tasten (auf Sick Love übrigens eingespielt von Sir Elton John himself) richtig gut und auch das Leaned-Back-Feeling, das lediglich durch den mir schleierhaften Tiefpunkt This Ticonderoga gestört wird, weiß ebenfalls zu gefallen.
Es ist zum Mäuse melken, dass es einer Band von dieser Größenordnung nach immerhin fünf Jahren Abstand zur letzten Platte nicht gelingen mag, mehr als einen vernünftigen Song an den Start zu bekommen. Sogar die B-Seiten der letzten Jahre waren weitaus stärker als der vorliegende Output. Das einem nach elf Alben mal die Ideen ausgehen ist natürlich mehr als nachvollziehbar. Bevor man allerdings derartig halbgaren Murks veröffentlicht, könnte man seinem Stuff alternativ auch einfach mehr Zeit zur Reife gönnen. Oder am besten gleich nen Ghostwriter für die Vocal-Parts anheuern. Wenn man sich eh schon im Mainstream-Pop bewegt sollte das dann ja auch nicht mehr weiter verwerflich sein…
Meinen Respekt für die Gruppe mindert die neue Platte zwar nicht wirklich und beweisen müssen sie sich selbstverständlich weder mir noch sonstirgendjemandem. Schade aber ist es allemal, dass The Getaway dank einem kreativ leergebluteten Frontman seinem Namen alle Ehre macht und tatsächlich über weite Strecken zum davonlaufen ist.
Anspieltipp: Dark Necessities
The Getaway im Stream:
The Getaway kriegst du z.B. hier.
Released: 16.06.2016 via Warner Music
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