Als Aggro Berlin und Konsorten noch in den Kinderschuhen steckten, hörte der unange-fochtene Bad Boy des Deutschrap auf den Namen Ferris MC. Als Mitbegründer von F.A.B. fest in der Szene verankert, war er nach deren Split als Solokünstler eine der zentralen Figuren im Hype um die Hamburger Mongo Clikke. Neben unzählbaren Features (u.a. Afrob, Spezializtz, Eins Zwo, Such A Surge, Absolute Beginner, Samy Deluxe…) und geschickt ge- streuten Skandälchen, festigte sich sein Assi-Image vor allem durch seine erste EP Asimetrie.
Derart roughes hatte man bis dato in Hip-Hop-Deutschland noch nicht vernommen. Zumindest nicht aus dem Mainstream. War dieser Output von 1999 gleich ein absoluter Volltreffer, kann man selbiges von seinen Nachfolgern nicht sagen. Lässt man die Platten Fertich! (2001), Audiobiography (2003) und seine letzte, selbstbetitelte von 2004 nämlich noch einmal Revue passieren, entsteht ein mehr oder weniger zerfahrener Eindruck. Gelungene Hits wie Flash For Ferris MC oder Zur Erinnerung stehen im starken Kontrast zu poppig-schäbigen Drogenhymnen oder unsäglichen Pseudo-Crossover-Nummern. Unweigerlich zeichnen genannte Alben also das Bild eines Künstlers, der seinen Schaffensdrang nicht so recht in Szene zu setzen weiß. Das sollte sich 2006 ändern, als Sascha Reimann beschloss sein Alter-Ego Ferris MC zugunsten von Elektronik und Schauspiel an den Nagel zu hängen. Gerade letzteres Metier sollte ihm gut stehen. Seine Leistung in den Filmen Für Den Unbekannten Hund und 12 Meter Ohne Kopf überzeugte. Absolut.
Retrospektiv erscheint der nächste Schritt, der darauf folgen sollte, eigentlich schon fast als unumschiffbare Konsequenz. Denn wo wäre man mit einem gesunden Faible für Elektronik, Theatralik und überspitzter Selbstdarstellung besser aufgehoben als bei den Buds von Deichkind? Die bieten seinerzeit nicht nur genügend Spielraum um sich auszutoben, sondern befinden sich dank dem Überraschungshit Remmidemmi Anfang 2008 gerade noch im zweiten Frühling und haben darüber hinaus, nach dem Abgang von Malte Pittner und Buddy Inflagranti, vor allen Dingen dringenden Auffüll-Bedarf was das Lineup betrifft. In Zusammenarbeit gelingt der neuerstärkten Konstellation das vortreffliche Arbeit Nervt (2008), der okaye Befehl Von Ganz Unten (2015) sowie das dürftige Niveau Weshalb Warum (2015).
Feiert man derartig große Erfolge wie es Reimann mit Deichkind nunmehr seit Jahren tut, ist der Ego-Push gewissermaßen vorprogrammiert. Bonzenbrother und Reimemonster zu sein, ist plötzlich wieder lukrativ und spätestens nach dem Live-Comeback mit Stamm-DJ Stylewarz auf dem Splash 2013 ist klar: Ein neues Ferris MC – Album soll her.
Soweit die Theorie. Und was kann Glück Ohne Scherben, der Rücktritt vom Rücktritt nun? Nicht viel… Zwar kreischen die Kettensägen auf All Die Schönen Dingen auch heute noch, sind dabei aber bisweilen geschmeidig zart auf den Luftbahn-Schienen unterwegs. Will heißen: Viel Billo- Pop, wenig Hip-Hop.
Ist das an sich ja noch einigermaßen nachvollziehbar, stößt es bei mir auf blankes Unverständnis, dass der gefürchtete Pseudo-Crossover eine gleich dreifache Renaissance erfährt. Mal ist es der Eminem-Wannaba-Promi-Diss Roter Teppich, mal die bemühte Otto-Waalkes-Flachwitz-Aufbereitung Monstertruck oder aber, in besonders lächerlicher Art und Weise, die Erhobene-Zeigefinger-Pose gen Rap-Nachwuchs (Kill Kill Kill), die einen Bauklötze staunen lassen. Im Feature bei letzterem übrigens Eko Fresh, der das Teil aber auch nicht mehr zu retten vermag. Gerade die Beiden können das bekanntlicherweise besser…
Apropos besser: Die Katzen/Kater – Thematik gab es mit Doppelkopf 1999 auch schon in gut. Mein Raumschiff legt derweil ne satte Bruchlandung hin und die Las Vegas-Zocker-Hymne Spieler bleibt so Plastik wie die Stadt selbst. Wenn Ferris dann gegen Ende der Platte Die Zahnfee mimt, fällt einem schließlich endgültig das sprichwörtliche Ei aus der Hose. Schrecklich:
Sollte es jemanden geben, der dieses Ungetüm von einem Comeback tatsächlich gewollt haben sollte, dem sei die Hook von Wenn Du Hast ans Herz gelegt: „Immer wenn du hast was du wolltest, ist es nicht mehr das was du wolltest.“ ‚Okay‘ sind lediglich Opener und Titeltrack. Doch selbst die sind verzichtbar.
Fazit : „Diese Geschichte hat [k]ein Happy End„. Was bleibt sind Scherben ohne Glück. Fast wie früher eigentlich. Schade, denn sympathisch ist der Charakterkopf (no pun intended) an sich ja eigentlich immernoch…
Anspieltips: Fensterlose Zeit, Glück Ohne Scherben
Glück Ohne Scherben im Stream:
Glück Ohne Scherben kann man hier in verschiedensten Ausführungen erstehen. Zeitgemäß wird für besonders Hartgesottene natürlich auch ein Boxset mit (*hust*) Bandana angeboten.
Released: 29.05.2015 via Warner Music
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