Review: Flatbush Zombies/The Underachievers/Waldo The Funk/München/03.03.2015

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Ein bisschen Bedenken, ob man nicht zu hoch gegriffen hätte, als man das Package aus Flatbush Zombies und The Underachievers kurzerhand vom überschaubaren Strom in die ausladende Muffathalle verlegte, gab es ja im Vorfeld zumindest von meiner Seite aus schon. Tatsächlich bietet sich aber ein ganz anderes Bild: Ausverkauft! Restlos! Ja, Hip Hop’s still the shit, wenn es um gepflegte Abendgestaltung geht. Und das gilt allem Anschein nach nicht nur bei heimischen, altbekannten und medial gepushten Acts, sondern gerade auch bei frischen, internationalen Künstlern, welche ihre Popularität vor allem Youtube und Konsorten zu verdanken haben. Und ja: Das funktioniert auch in München an einem Dienstagabend!

Auch die oft gehörte These, junge Menschen würden sich heutzutage kaum mehr über die Hits hinaus mit dem kompletten Werk eines Interpreten auseinandersetzen, soll im Laufe des Abends mehrfach widerlegt werden. Beim Tourstart der Kool Aid Experience werden nahezu alle Songs der beiden Headliner lauthals mitgegröhlt. Und apropos junge Menschen: Von denen gibt es heute reichlich. Selbst das Durschnittsalter unserer heutigen, vierköpfigen Derdanielistcoolcrew – welches sich auf etwa Mitte 20 belaufen dürfte – schafft es alterstechnisch, alles im Saal gnadenlos zu toppen. Hatte man sich zuvor den Zugang zur Halle durch eine Wand aus nicht ganz legal riechendem Qualm erstmal erkämpft, wähnte man sich sofort auf einer U-20-Party. Wohlgemerkt mit hohem Frauenanteil, welcher sich standfester zeigt, als diverse Knaben, die schon während des Sets von Supportact Waldo the Funk gleich reihenweise umkippen.

Der stellt sich dem Menschenmeer ganz mutig ohne Backup-MC, nur mit DJ im Rücken und Snap auf dem Oberhaupt. Der Heilbronxer lässt nichts anbrennen und tritt selbstsicher seinen (Ein-Euro)-Job an. Schaun wir mal – ich genieße und schlürfe den… öhm das 3,30€-Muffat-Bier. Representen, fronten und realkeepen, dazu entspannte Beats. Das ist über das etwa 25-minütige Set verteilt angenehm hörbar und erinnert an Deutschraphelden aus den 90ern. Unpolitische Advanced Chemistry oder ein gut aufgelegter MC Rene fallen mir spontan als Vergleichsparallelen ein. Pandabären, ManagerWaldo bringt Songs seiner hörenswerten Toykis-EP, wie auch andere bekannte Stücke, wie das eigentlich mit Döll-Feature versehene Roll auf. Live allerdings mag das heute bei mir nicht so recht zünden. Die Standards werden zwar überzeugend bedient und glaubwürdig dargeboten, aber leider auch nicht mehr. Mag natürlich auch am Umfeld liegen…Sicherlich würden die, gerne auch mal nachdenklich stimmenden Zweiminüter in einem kleineren, intimen Rahmen weitaus besser kommen als vor einem tausendköpfigen Feierpublikum. Üppigen Applaus gibt es trotzdem nach dem abschließenden, vom Biggie-Sample lebenden Uhrwerk Toykis.

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Hätte ich mal besser meine Brille getragen…Ein leichtes Schamgefühl überkommt mich anschließend, als ich erst nach dem zweiten Song begreife, dass nicht etwa die Flatbush Zombies sondern Underachievers über die Bretter toben. Die lassen nach 18-minütigem Trapblitzgewittermedley – aus dem ich gerade noch Kanye West, Missy Elliott und Kendrick Lamar erkennen kann – gleich die ganze Location im Smartphonelicht erstrahlen. Die rauchgeschwängerten Tracks des Duos AK und Issa Gold werden vom Publikum bereitwillig inhaliert. Das gefällt denen natürlich ungemein: „I fuckin‘ love Germany! I love every single motherfucker in this entire room right now!“ Die geil verspulten Beats werden von den technisch versierten MCs in Akkordarbeit beackert. Neben den Brechern Herb Shuttles und N.A.S.A geht mir vor allem Leopard Shepherd gut ins Bein! „You niggas are ready to fuck this shit up or what!?“ Indeed! Die Leute haben Spaß an der Truppe (sicherlich auch einige, die gleich soviel davon haben, um sich noch für läppische 40(!!) Öcken ein Shirt der Boys einzupacken)! Dem bleibt kaum etwas hinzuzufügen. Jedenfalls nichts, was nicht auch auf die Artgenossen von Flatbush Zombies zutreffen würde.

003Bei denen ist dann wenige Minuten später nur noch Punkrock: Dreadlock-Mosh-Action, Stagediving galore, Charles Manson-Pulli… you name it! Der satte Bass, des aus den Boxen dröhnenden Thugnificence-Playbacks, lässt die Nasenspitze vibrieren und wir kämpfen uns nach vorne.

 

Da stehen die drei MCs Meechy Darko, Eric Arc Elliott (ebenfalls verantwortlich für einen Großteil der Beats) sowie Blickfang Zombie Juice schon in Reih und Glied an vorderster Front um – Hip Hop typisch – vollmundige Ankündigungen gen Publikum zu senden, wonach sie sowohl alles und jeden zerficken, als auch gleich den ganzen Laden auseinandernehmen wollen. Das ist doppelt hervorhebungswürdig da solche Worte

  • A:  aus dem Mund des letztgenannten, pentagrammübersähten MCs – welcher mit gebleichten Haaren und Vollbart zumindest heute rein äußerlich am meisten Badassattitude zu versprühen vermag – immer geradezu schüchtern und liebenswert bis niedlich rüberkommen.
  • B: dem Wahrheitsgehalt verblüffend nahe kommen.

Was auf dem aktuellen Mixtape/Album BetterOffDEAD gerne mal schmoove daherkommt, wird live roughnesstechnisch schwer nach oben geschraubt. Von genanntem, sehr empfehlenswertem Output setzt sich glücklicherweise auch ein Groß der Setlist zusammen. Könnte natürlich auch daran liegen, dass ich mit den Sachen der Zombies besser vertraut bin als mit dem Underachieverskatalog, trotzdem werd ich das Gefühl nicht los, dass die Zombie-Hitdichte um einiges krasser ist. Also: Grillz nei en Maul, OJ neigekusht und ab ins dichte(!) Set!

Der Einstieg mit Club Soda funktioniert auch ohne das Action-Bronson-Feature wunderbar und ist, wie viele der folgenden Stücke, Regular and Complex zugleich. Dem folgt das dreckige Doppel aus Death (inc. dem Mansonsamplegestützten Death2) und Face Off, dessen letzte Strophe a cappella mit dem Publikum beendet wird, ehe es leicht grenzwertig wird.

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„Any beautiful ladies wanna come on stage while we perform this beautiful song?“ Zombie Juice präsentiert ein neues, leicht fieses RnB Stück, zu dessen Anlass er sich gleich eine Handvoll nicht ganz volljährig wirkender Publikumsdamen auf die Bühne ordert, um ihnen prompt nicht gerade jugendfreie Lines vorzusäuseln…Aber naja, wie sagte einst ein weiser Mann? In hollywood they say, there’s no business like showbusiness. In the hood we say, there’s no business like ho business, BITCH!“ 222 ist wohl die Nummer, die man in solchen Fällen wählt. Kommt geil!               Feuerzeugaction dann bei Mary, Nothing Above Thee vom D.R.U.G.S. Mixtape und Ausnahmezustand bei den Knallern Mraz und Bliss. Übertrieben gut! Wer dem nicht zustimmt und seinen Missmut durch altbewährte Handgestikulation öffentlich kundtun muss, bekommt das postwendend zurück: „And fuck you if you got your middlefinger up! I take it personal you bitchassnigger!“

Gleich zwei Moshpits wünschen sich die New Yorker und bekommen sie auch, während der (eigentliche) ASAP Mob-Kollabotrack Bath Salt durch die Halle ballert. Oberkörperfrei begibt sich der Dreier dann zum absolut krank kaputten S.C.O.S.A. gleich selbst per Stagedive ins Publikum, um das reguläre Set zu beenden. Alter!! Einzig das kurz zuvor eingestreute Smells like Teen Spirit hätte man sich sparen können…

Zum Zugabenteil schmeißt man sich mit den Bros aus der Hood in die Farbe der Unschuld, präsentiert gemeinsam 15 Minuten aus der Clockwork Indigo EP und verabschiedet sich mit dem obligatorischen Palm Trees. Das kennt nun aber auch wirklich jeder! Gänsehaut! 60 krasse Minuten. Zurecht ausverkauft und auf allen Kanälen! Gerne wieder!

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