„Was war los mit dem Reen, wo ist er bloss gewesen?“ Diese Frage, entlehnt aus dem 2000er Song Zieh Dir Das Rein, hätte man sich in der Karriere von MC Rene, die so manche Hochs und Tiefs gesehen hat, häufiger stellen können. Jüngst erst wieder vor dem Release seiner 2015er Platte Renessance.
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Die Antwort darauf fand sich schon im unterhaltsamen und dem Album vorausgegangen Buch Alles auf eine Karte: Wir sehen uns im Zug. Das unvermeidbare Karriereaus als Rapper, das durch fürchterlich orientierungslose Veröffentlichungen wie Scheiß Auf Euren Hip Hop (2002) oder Der Letzte Marokkaner (2005) geradezu vorprogrammiert war, zwingt das einstige Freestyle-Wunderkind zurück ins bürgerliche Normalo-Leben. Dass einer wie René El Khazraje, der seine Umtriebkeit als Reisender schon auf seiner, heute etwas angestaubten dennoch prägenden, ersten LP Renevolution (1995) thematisierte, es nicht lange als Angestellter eines Call Centers unter dem Pseudonymn Stefan Eckert aushält, verwundert wenig. Der öde Job ist folglich schnell gekündigt, die Wohnung kurzerhand aufgelöst und MC Rene fortan als Nomade quer durchs Land unterwegs um während seines „Freiwilligen Assozialen Jahrs“ an einer neuen Karriere als Comedian zu schrauben. Die Bahncard 100 dient ihm hierbei als Wohnungsschlüssel, denn gepennt wird überwiegend im Zug.
Ein kleiner Achtungserfolg bei Night-Wash war wohl drin. Ansonsten sollte die neugeglaubte Berufung keine allzu großen Wellen schlagen. Vielmehr ist es die im Buch geschilderte Geschichte, über den Mut zum Scheitern, die den einstigen Moderator von Mixery Raw Deluxe zurück in die Öffentlichkeit bringt. Plötzlich sieht man ihn wieder bei Stefan Raab oder vor Publikum auf ausgedehnter Lesetour.
Währenddessen wird mit Mein Leben Ist Ein Freestyle, erstmals nach knapp zehnjähriger Schaffenspause, ein neuer Song gedropt. An seiner Seite: Der Video- und Beat-Schrauber Carl Crinx, der seither auch die musikalische Instanz in Reens Welt geblieben ist. Dass man früher oder später neues Ohrfutter von Reen serviert bekommen würde, war abzusehen. Wenn das Rampenlicht schonmal auf einen gerichtet ist, wäre es schließlich auch dumm, diese Chance ungenutzt zu lassen. Mit einem derartigen Gourmethappen aber hätte ich nicht gerechnet!
Was die Beats von Crinx anbelangt, kann man eigentlich nur Freundeskreis zitieren: „De La und Tribe sind Hype“. Im Klartext: Smooth, jazzy, groovy, warm, leaned-back, klassisch-solide. Extravagant in der Beatlandschaft wird es nur, wenn DJ Coolmann von Fünf Sterne Deluxe auf Perpetuum Mobile den Ton mit angeben darf. Der Track featured neben dem alten Weggefährten Toni-L von Advanced Chemistry auch den Retrogott. Eine Art Schulterklopfen von Alter wie Neuer Schule:
Und das hat sich Reen redlich verdient. Letzten Endes ist es ihm nämlich tatsächlich gelungen, die runde Platte abzuliefern, die man sich immer von ihm gewünscht hat. (Fair enough: Ein Album Namens Bernd von 2000 find ich auch spitze. Warum auch immer…) Lässt man die Faktoren, dass Renessance nicht sonderlich innovativ ist und auch die ein oder andere Hook etwas schwächelt mal links liegen, bleibt kaum Angriffsfläche. Reif, bodenständig und unaufgesetzt ist die aktuelle Scheibe. Ohne Kaspereien. Und obwohl ganz klar an den 90ern orientiert auch irgendwie zeitlos. Nicht eine Sekunde lang hat man den Eindruck, die Platte wäre vorsätzlich auf Erfolg getrimmt. Und genau das ist das Rezept, dass Renessance zu selbigem macht. Statt dick auftragen lieber Zurück Zum Minimum. Kein Glanz. So Machen Wir’s!
Gelungene Features von Lian Krings, Flowin Immo, Spax und Sir Max sowie diverse Anspielungen auf Genre-Klassiker (zum Beispiel Outkast), runden das formidable Überraschungspaket ab. Edel!
„Zieh dir das rein! Zieh dir das rein! Du weißt schon wie ich mein. Soviel Zeit muß sein!“
Anspieltips: Reneminisce, Mein Leben Ist Ein Freestyle, So Machen Wir’s
Renessance im Stream:
Renessance holt man sich für faire 17 Öcken auf Vinyl. Wem es nach weiteren Titeln aus der Album-Schaffensphase gelüstet checkt außerdem die Perpetuum Mobile EP sowie den Track Prinz Von Nike Air. Wer sein Knowledge über die bisherige Karriere des Rappers auf Vordermann bringen möchte testet Die Enthüllung.
Released: 06.03.2015 via Peripherique
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