Review: Silverchair – Neon Ballroom (1999)

artwork by John Watson

Heute vor 20 Jahren erschien mit Neon Ballroom das dritte und vermutlich beste Album der australischen Alternative-Größe Silverchair. Ihr wichtigstes Werk ist es jedenfalls definitiv, denn erst hier gelang es der Band sich von den hartnäckigen Nirvana – Vergleichen zu lösen, die auf Grund der Trio-Besetzung, dem Grunge-Sound der Anfangstage sowie der Kurt Cobain-Optik von Sänger und Hauptsongwriter Daniel Johns auch nicht ganz ungerechtfertigt waren.

.

Fairnesshalber sollte vielleicht dennoch erwähnt werden, dass die Jungs aus Newcastle in puncto Sound gerade auf ihrem Debüt  Frogstomp (1995) tatsächlich viel näher an Pearl Jam als an Nirvana angelehnt waren… aber geschenkt: 1999 sollte auch dieser Vergleich ohnehin nicht mehr greifen. Das macht bereits der opulente und sechsminütige Opener Emotion Sickness deutlich, der mit Streichersatz und Flügelbegleitung von David Helfgott daherkommt und so nicht nur einen höchst überraschenden wie dramatischen Einstieg ab- sondern auch die musikalische Marschrichtung der Platte vorgibt: Orchestral tear cash flow it is.

Nummern von ähnlichem Kaliber sind auf Neon Ballroom jedenfalls in Hülle und Fülle vorhanden: Black Tangled Heart, Paint Pastel Princess, Point Of View oder der sphärische Mega-Abgang Steam Will Rise sind da ebenso zu nennen wie die bekannte Leadsingle Ana’s Song (Open Fire), in der Johns seine jahrelange Magersucht nicht nur thematisiert sondern regelrecht beim Namen nennt. Unsterblicher Hit!

Vielen der genannten Stücke wohnt eine tiefe Melancholie inne, ohne das man dabei das Gefühl hätte, die Teenage Angst allzu plump aufs Brot geschmiert zu bekommen. Dazu ist das Songwriting zu beeindruckend, die Arrangements viel zu ausgefeilt und die Performance zu überzeugend ungekünstelt.

Selbst das haarscharf am Kitsch vorbeischrammende Miss You Love nimmt man der Band ab. Diesem wahrscheinlich seichtesten Stück ihrer Karriere stehen mit Dearest Helpless, Satin Sheets und der überarbeiteten Spawn-Soundtrack-Nummer Spawn (Again) gekonnt die heftigsten Songs im Silverchair-Katalog gegenüber, bei denen sogar mal fein abgescreamt wird.

Bleiben noch der Alternative-Pop-Hit Do You Feel The Same (incl. ausnahmsweise mal legitimem Gitarrensoli) und die Befindlichkeits-Hymne Anthem For The Year 2000 zu nennen. Über den Salonrevoluzzer-Text der letztgenannten Nummer kann man aus heutiger Sicht (und vermutlich auch damals schon) zwar nur müde lächeln, dem Song an sich gleichzeitig aber Schmiss und Catchiness nur schwer absprechen.

Irgendwo (ich meine es war in einem Visions-Artikel über seine damalige Zweitband The Dissociatives) habe ich mal aufgeschnappt, dass Daniel Johns seinen Neon Ballroom im Nachgang als „fürchterlich uninspiriertes Album“ abgetan hat, was ich mal so gar nicht nachvollziehen kann. Im Gegenteil halte ich bis heute große Stücke auf diese Platte, die ohne Ausfall auskommt und ziemlich gut gealtert ist. Werd ich mich vermutlich niemals dran satt hören können… Silverchair schickten 2002 noch das orchestrale wie optimistische aber auch etwas überambitionierte Diorama sowie 2007 das schwurbelige Young Modern hinterher ehe sich die Band 2011 im Guten trennte. Seine beiden ehemaligen Mitstreiter brauen heute u.a. Bier (Bassist Chris Joannou) oder  ganz schreckliche Musik in neuen Projekten (Schlagzeuger Ben Gillies) zusammen während Johns seit geraumer Zeit in poppigen Gefilden solo aktiv ist. Über sein sehr gelungenes Debüt von 2015 hab ich mich an dieser Stelle schon einmal ausgelassen. Erst letztes Jahr hat er zudem gemeinsam mit Luke Steele von Empire Of The Sun eine neue Band namens DREAMS gestartet.

Für mehr Insights zu Neon Ballroom schickt sich neben diesem Track-By-Track-Kommentar die folgende Minidoku an:

Anspieltipps: Emotion Sickness, Ana’s Song (Open Fire), Steam Will Rise… ALL KILLER NO FILLER!

Neon Ballroom im Stream:

Neon Ballroom gibt es in allen erdenklichen Formaten zu fairen Preisen. Eine neue LP-Auflage auf blauem Vinyl erscheint am 15.03. Ich selbst besitze das Album in Form der CD sowie einer LP-Repress von 2010 und bin mit beiden Varianten sehr glücklich.

VÖ: 08.03.1999 via Murmur / Epic 

Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert