Review: Gewalt/Die Hartjungs/Nürnberg/05.04.2017

Wenn der kürzlich auf diesen Seiten erst ausgiebig gefeierte Patrick Wagner mit seiner neuen Band Gewalt in der Stadt ist, lässt man sich das natürlich keinesfalls entgehen. Witzigerweise aber hätte es sich die Band beinahe selbst entgehen lassen müssen. Das Tour-Fahrzeug wollte an diesem  vernieselten Mittwoch nicht so recht und zwang den Dreier dazu, sich samt Equipment mit dem Großraum-Taxi von Stuttgart nach Nürnberg chauffieren zu lassen. So trudelt die Combo dann auch erst zeitgleich mit dem Publikum gegen 21:15 Uhr im Z-Bau ein. Da haben Die Hartjungs bereits losgelegt und zelebrieren im gut (ab-)gefüllten Roten Salon eine lärmende Floor-Show, die ihresgleichen sucht. Erinnert stellenweise etwas an Health minus Clean-Vocals. Kompromisslosigkeit heißt demnach die Devise! Mächtige Drums werden von aufgekratztem Shouting, gelegentlichen Samples und zwei Gitarren begleitet, die sich scheinbar gegenseitig in der Sabotage und Defragmentierung der Songs durch nervtötende Störgeräusche zu übertrumpfen versuchen. Starke Show, die vom Publikum dankend angenommen wird und in ihrer Ungestümtheit den perfekten Anarcho-Anheizer für den Mainact macht!

Der wirkt trotz umständlicher Anreise beim Soundcheck kein bisschen gestresst und lässt samt einem flachsenden Wagner keinen Zweifel daran, dass einem ein fantastisches Set bevorsteht. Der Saal wird abgedunkelt und die folgende Szenerie lediglich von einem blauen Polizeilicht erhellt. „Okay, ihr Kunststudenten! Die Band heißt Gewalt. Jetzt geht’s los!“ – Der menschliche Teil der Band verlässt die Bühne gen Umkleide und lässt den maschinellen Bandkollegen ‚DM1‘ schonmal satte acht Minuten ackern. Der rudimentär programmierte Drumcomputer entpuppt sich im Verlauf des gut 50-minütigen Sets nicht nur als Pretty Hate Machine vor dem Herrn sondern auch als wichtige Konstante im Band-Sound und knallt zumindest in dieser Location kalt, hart und erbarmungsgnadenlos durch den Hörsaal. Gemeinsam mit Yelka Wehmeier am Bass sowie Helen Henfling und dem Ex-Surrogat-Fronter an den 6-Saitern, spuckt man Pandora ins Gesicht, wälzt sich im Schutze des Schmutzes und vereint Wände, Decke und Boden. So soll es sein! Stumpf, präzise und ungefiltert peitscht roher Industrial durch den Raum, der an die Anfänge des Genres erinnert und in Kombination mit den gewohnt eindringlichen Slogans und cleveren Catchphrases des Hauptakteurs auch an Glanzperlen der deutschen Musikgeschichte wie Palais Schaumburg, Grauzone oder D.A.F. denken lässt. Optisch erzeugt die Art und Weise, mit der Wagner seine Phrasen skandalierend und mit dem nötigen Quentchen Pathos vorträgt einen reibenden Kontrastpunkt zu seinen statisch kühl agierenden Mitstreiterinnen. Die Truppe macht was her auf der Bühne!

Szene einer Ehe verleiht nicht nur dem (einmal mehr zweckentfremdeten) Hochzeitsanzug bedeutungsschwange- ren Flair sondern versetzt seinen keifenden Träger auch in charmante Pöbelstimmung gegen das geschwätzige Publikum am Biertresen: „Kann man den Sound etwa doppelt so laut machen? Alles? Damit die aufhören zu reden? Ihr könnt auch einfach heimgehen!“ Das nächste Stück Limiter wird folglich mit passender Widmung eingeleitet: „Das nächste Stück geht darum: Man plumpst auf die Welt, ist gut in Schuß und danach wird alles beschissen. Und zwar, weil wir selbst immer in bierseliger Laune sind und nichts checken. Aber macht nichts…“  Schade das Limitiertheit nicht immer zu derart großen Ergebnissen führt, wie es bei diesem Song der Fall ist! „Schön wie Gott“ ist vor allen Dingen aber auch Tier, heimlicher Hit des Abends, der auch live „an alles was wir wirklich sind“ appeliert. So Geht Die Geschichte gibt den Pulsschlag der letztjährigen Fusion-Erlebnisse der Band wieder und das abschließende Stück bemüht sich schmerzhaft schleppend darum, der Begrifflichkeitsbedeutung der Sicherheit auf die Schliche zu kommen.

„Geile Show“, teilen wir Patrick anschließend am Merch-Tisch mit. „Ja? Hat das geballert?“ Mit Sicherheit!

Photos: Ein Bild Mit Dem Mann

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