Review: Mike Patton – Mondo Cane (2010)

artwork by Martin Kvamme

Mike Patton hat in seiner beeindruckenden Karriere be-kanntlich eine schier unüber-schaubare Anzahl an Platten mit unzähligen Bands und Projekten veröffentlicht – unter seinem eigenen Namen jedoch lediglich drei. Mondo Cane ist neben Adult Themes For Voice und Pranzo Oltranzista eine davon und mir schon seit Jahren ein treuer Begleiter auf Reisen und an sonnigen Tagen.

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Anders als bei den beiden genannten Avantgarde-Scheiben handelt es sich bei der hier vorgestellten aber um eine sehr zugängliche und leicht zu verarbeitende Angelegenheit – sofern man sich auf Neuinterpretationen italienischer Schlager und Filmmusik aus den 50ern und 60ern einlassen kann. Das nämlich ist das Konzept von Mondo Cane.

Die Idee zum zuallererst einmal als Konzertreihe angelegten Projekt ent-stand seinerzeit in Bologna, das Patton während seiner mittlerweile aufgelösten Ehe mit der italienischen Künstlerin Titi Zuccatosta sechs Jahre lang als Zweitheimat diente. Eine Zeit, die ihn nicht nur fließend italienisch  spre-chen lehrte sondern ihm auch zahlreiche Songs aus der goldenen italienischen Pop-Ära näher brachte, die förmlich nach einer Frischzellenkur verlangten.

Insgesamt 22 solcher Stücke wurden dann 2007 mit Hilfe des Komponisten Daniele  Luppi, eines 40-köpfigen Orchesters, einer 15-Mann starken Band plus einem Chor auf die Bühne gebracht und bei drei Konzerten in Norditalien mitgeschnitten.

Besagte Aufnahmen durften anschließend mit Patton nach San Francisco reisen, wo sie dann wiederum in ihre Einzelteile zerlegt, neu zusammengesetzt und mit allerhand Overdubs (z.B. Electronica, Theremin und Drum Loops) versehen wurden, ehe sie schließlich 2010 als Album erschienen. Dem Prozess geschuldet enthält also jeder der elf fürs Album gewählten Titel Versatzstücke aus allen aufgezeichneten Konzerten, was man als Hörer aber glücklicherweise zu keiner Sekunde merkt.

Und mehr noch: Die Scheibe fühlt sich weder nach einem klassischen Live- geschweige denn nach einem Cover-Album an, was sicherlich bemerkenswert ist. Ohne die Titel zu sehr zu verfremden oder sie ihres ursprünglichen Charakters zu berauben, macht der Ausnahmesänger sie sich vollends zu Eigen. Ergo fühlt sich Mondo Cane in vielen Momenten so sehr nach einem typischen Patton-Release an, dass es mitunter schwer fällt zu glauben, dass die Songs nicht aus seiner eigenen Feder stammen – und das obwohl diese durchgehend auf italienisch und für ein Stück sogar auf neapolitanisch vorgetragen werden.

Mondo Cane ist dabei nicht etwa in der Nähe von Extrem-Projekten wie Fantômas zu verorten sondern knüpft stilistisch vielmehr an Faith No More – Tracks wie Evidence, Star A.D., Caralho Voador oder She Loves Me Not, vor allem aber an California, der Großtat von Mr. Bungle an (einige Mondo Cane-Konzerte sollten später dann passenderweise sogar seine früheren Bungle-Mitstreiter William Winant und Trevor Dunn im Band-Lineup featuren).

Und damit spielt Patton hier erneut eine seiner schönsten Rollen: Die des Anzug-tragenden, non- chalanten aber irgendwie auch schmierigen bis einschüchternden Gelkopf-Mafioso, die er wie kaum ein zweiter zu verkörpern weiß. Von seiner versierten Vocal-Performance einmal ganz zu schweigen, die hier mal wieder alle Register zieht.

Eröffnet wird der Reigen vom lieblichen Il Cielo In Una Stanza (von Gino Paoli), gibt gleich darauf mit Che Notte! (von Fred Buscaglione) komödiantische Ansätze preis und verfällt anschließend ins dramatische, von Violinen getragene Ore D’Amore (von Fred Bongusto). Es folgen der Kritiker-Liebling Deep Down (Titeltrack des 68er Spionage-Flims Danger: Diabolik),  das balladeske Quello Che Conta (aus dem Film La Cuccagna von 1962) und das atemberaubende Urlo Negro (von The Blackmen), das eine vor catchiness strotzende Hook auf wüste, gescreamte Strophen treffen lässt:

Weitere Highlights sind mein persönlicher Favorit 20 km Al Giorno (von Nicola Arigliano), das sehr fragile Scalinatella (Roberto Murolo) und die gefühlvollen Schmachtfetzen L’uomo Che Non Sapeva Amare (von Nico Fidenco), Ti Offro Da Bere (Gianni Morandi) und Senza Fina (von Gino Paoli). Sprich: All Killer, No Filler!

Falls tatsächlich jemand bis hierhin gelesen und es nicht bemerkt hat: Ich liebe dieses Album! Mondo Cane ist eines der schönsten Stücke Musik, die ich je gehört habe, was neben der Faszination für Mike Patton sicher auch durch meine Liebe zu Italien befeuert wird und mir bei jedem Hören zahlreiche Schauplätze vergangener Aus-flüge in den Kopf zaubert.

Zum Release wurde übrigens eine Fortsetzung mit den verbliebenen elf Stücken angekündigt, wovon seither aber meines Wissens nach nicht mehr groß die Rede gewesen ist. Schade drum, denn wie das anschließende Video belegt, schlummern da noch einige Hits auf irgendwelchen Festplatten.

Übrigens: Es lohnt sich bei Gefallen definitiv auch in die jeweiligen Originale reinzuhören, die bis auf L’Urlo Negro auch alle auf Spotify zu finden sind. Eine umfangreiche Playlist steht unten zur Verfügung.

Buon appetito!

Anspieltipps: 20 KM Al Giorno, Deep Down, Urlo Negro

Mondo Cane im Stream:

Mondo Cane Originale im Stream:

Mondo Cane gibt es natürlich auch in physikalischer Form zu erstehen. Ich habe sowohl mit der CD als auch der Vinyl-Repress von 2016 immer wieder große Freude. Kriegt man beides zu sehr fairen Preisen während die First-Press von 2010 gerne etwas teurer gehandelt wird – obwohl sie der Re-Issue laut Discogs eigentlich nichts voraus hat. 

VÖ: 04.05.2010 via Ipecac Recordings

Kommentare

Eine Antwort zu „Review: Mike Patton – Mondo Cane (2010)“

  1. […] noch vor der Reunion-Ankündigung aufgezeichnet). Außerdem hat Patton kürzlich im Rahmen von Mondo Cane – Shows den Bungle-Evergreen Retrovertigo wieder ausgepackt. Wer weiß, was da noch im Busch […]

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