Einer der hörenswerteren Exoten, den es 1999 im Zuge des New-Metal-Singning-Wahns nach oben spülte trägt den Namen Videodrone. Abgesehen vom Umfeld, in welchem sich die Jungs aus Bakersfield seinerzeit bewegten, haben sie mit genanntem Genre aber genau genommen relativ wenig am Hut. Mit Metal schonmal gleich gar nichts. Gitarren sind zwar durchaus vorhanden, dank massiver Verfremdung jedoch meist kaum mehr als solche wahrnehmbar.
.
Überhaupt übernehmen hier nicht die Saiteninstrumente sondern die Elektronika von Rohan Cowden die Hauptrolle. Man wird von allen Seiten regelrecht zugeballert von Samples, Keyboards, Beats und Loops. Das macht die Platte bei den ersten Durchläufen zwar etwas sperrig, gibt dafür aber auf lange Sicht immer wieder neue Details und Facetten preis.
Einerseits sehr glamourös, bringen Videodrone auf der anderen Seite auch einen gewissen Gangsta-Touch mit sich, was kaum verwunderlich erscheint wenn man bedenkt, dass Fieldy (seines Zeichens Graphical-Genius und selbsternannter Rock ’n‘ Roll Gangster) hier die Regler bediente.
Aber auch abseits ihres bekannten Produzenten glänzt die Scheibe mit einer hochkarätigen Gästeliste. So stößt man schon innerhalb der ersten Sekunden auf das berühmte Stimmorgan von Korn-Sänger Jonathan Davis während sich bei Human Piñata mit DJ Lethal und Fred Durst gleich 2/5tel von Limp Bizkit die Ehre geben. Gemeinsam mit der Psycho Realm–Crew driftet man dann auf Pig in a Blanket vom ansonsten eher Industrial-lastigen Klangbild in Hip-Hop-Gefilde ab. Und zwar verhältnismäßig unpeinlich wie ich finde:
Hervorzuheben wären dann auf jeden Fall noch das absolute Highlight Faceplant, das von einer der sexiesten Basslines ever getragene Alone with 20 Bucks oder das fiebrige L.S.D. (Lucifer’s Stained Dress), das wiederum mit einer der dümmsten Textzeilen ever aufwartet: „So wake up take me in – I’m not Marilyn Manson- I’m just a guy who’s got it in for you.“
Zusammen mit dem schmooven Closer to Coma sowie dem hibbeligen The Devil’s Sweepstakes punktet die Platte zu Beginn besonders stark. Da stört es dann auch nicht weiter, dass die letzten zwei bis drei Songs nicht mehr so recht funktionieren wollen.
Funktionieren tun btw. auch die drei Vorgänger-Alben nicht, die die Combo in den 90ern noch unter dem Namen Cradle Of Thorns veröffentlichte. Im Anschluss an die Videdrone-Scheibe tourte die Band noch gemeinsam mit Korn & Rob Zombie durch die Staaten und brach kurz darauf auseinander. Mit Ausnahme von Drummer Kris Kohls (der Adema mitbegründen sollte) konnte später keines der verbliebenen Mitglieder mehr Fuß in der Musikindustrie fassen. 2008 gab es mit All Over Again nochmal ein kurzes Lebenszeichen einer neuen Version von Cradle Of Thorns, die außer Frontmann Ty Elam aber keines der alten Mitglieder beinhalten und vielleicht gerade deshalb fürchterlich sein sollte.
Was allerdings Videodrone angeht: Ich liebe diese Platte! Trotzdem würde ich sie nur bedingt weiterempfehlen, da man vermutlich schon ein gewisses Faible für andersartige, experimentelle Musik mitbringen muss um ihr das abzugewinnen was sie verdient. Auch das näselnde vokale Gequäke von Ty Elam ist sicherlich nicht jedermanns Sache – wobei das bei Bands wie Smashing Pumpkins oder Placebo ja auch kaum jemanden zu stören scheint… Wer offen für Neues und auf der Suche nach einem völlig ungehörten Style ist, sollte jedenfalls mal ein Ohr riskieren. Wer bei Begriffen wie New Metal, Industrial oder Crossover schon abkotzt, lässt natürlich die Finger davon…
Achja: Über die fürchterliche Optik der Band braucht man sich natürlich gar nicht erst zu unterhalten:
Anspieltipps: Faceplant, Closer To Coma, Alone With 20 Bucks
Videodrone im Stream:
.
Videodrone kann man kostenlos und komplett auf Spotify streamen oder sich für einen Cent auf CD hinterherwerfen lassen.
VÖ: 23.02.1999 via Elementree / Reprise Records
Schreibe einen Kommentar