Gegensätze und Vielfalt – Ein Interview mit Frederyk Rotter (Ngf013)

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Frederyk Rotter ist ein Typ der umtriebigen Sorte: Neben seinen eigenen musikalischen Babys Zatokrev, The Leaving und Neo Noire greift der Schweizer mit seinem Label Czar Of Crickets nicht wenigen Künstlern aus seiner Heimat unter die Arme und findet nebenher noch die Zeit ein eigenes Festival auf die Beine zu stellen. Und das alles sehr erfolgreich. Zeit mal nachzuhaken! Das ausführliche Interview kam per Mail-Kontakt zustande.

Czar Of Crickets, Czar Of Bullets und Czar Of Revelations. Außenstehende sind ob der Namensvielfalt sicher nicht selten verwirrt. Klär uns doch bitte mal auf!
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Als ich einen Namen für mein Label suchte, wollte ich etwas Neutrales und etwas wo ich einen persönlichen Bezug dazu habe. Meine Eltern waren die ersten Grillenzüchter in Europa. Sie flüchteten 1968 in die Schweiz als die Sovjets die Tschechoslowakei besetzten. In der Schweiz suchte mein Vater dann eine Marktlücke und fand diese witzigerweise auch. Die Firma gibt es heute aber nicht mehr. Bevor ich das Label gründete las ich viele Bücher über das Zarentum, somit kam ich auf Czar Of Crickets. Mir gefiel der Gegensatz und die Harmlosigkeit. Bzw. Zaren waren mächtige Herrscher, eine Grille ist für uns jedoch so ziemlich das Harmloseste was es gibt – die Kombination von beidem erwärmt mein Herz. Ursprünglich war Czar Of Crickets ein Metal-Label, jedoch wusste ich von Anfang an, dass ich nicht nur Metal veröffentlichen wollte. Ich wählte somit einen Namen, der das offen liess und sich nicht auf ein bestimmtes Genre bezog. Die Vielfalt der Genres wurde allerdings eines Tages zum Problem. Also nicht wirklich zum Problem, aber das Label wurde wegen den vielen verschiedenen Stilrichtungen etwas unübersichtlich. Deshalb teilte ich Czar Of Crickets auf in zwei Sublabels. Czar Of Bullets steht für die Metal-Bands und Czar Of Revelations für alles andere: Das reicht von Dark Folk, Singer-Songwriting, Soul, Rock’N’Roll, Ambient, Post-Rock, Progressive, Psychedelic Rock bis hin zu einer Frank Zappa Coverband.
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Seit wann gibt es denn das Label und aus welcher Intention heraus hast du es gegründet?
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Zatokrev

Ich gründete mein Label im Jahre 2006. Es war ein absoluter Spontanentscheid. Ich wachte eines Tages auf mit der Vision ein Label zu gründen. Nach zwei Monaten hatte ich bereits die Infrastruktur. Ich wollte ganz einfach Künstler unterstützen. Es gibt hier soviel Grossartiges, meist kommerziell nicht Verwertbares, so blieben lokale Unterstützungen von diversen Organisationen für die etwas „spezielleren“ Künstler meist aus. Oft bleiben grossartige Künstler unentdeckt, selbst heutzutage wo ja jeder was ins Netz stellen kann – dafür kämpfen wir mit der Überflutung von Informationen. Das wollte ich ändern. Mit meiner Band Zatokrev hatte ich bereits seit Beginn mit diversen Labels zu tun, ich verstand aber damals überhaupt nicht was ein Label genau beinhaltete. Durch Czar Of Crickets wollte ich schliesslich auch hinter die Kulissen kucken, was natürlich mein Gespür schärfte, wenn ich als Band mit anderen Labels verhandelte.

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Wie viele Mitarbeiter sind derzeit bei Czar Of Crickets beschäftigt?
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Momentan habe ich einen Praktikanten. Dazu kommen diverse Freelancer, einer der sich um den Czar Online Shop kümmert, ein Buchhalter der unter anderem auch ab und zu Czar Stand macht, ein Booker, eine Video-/Fotokünstlerin, ein Grafiker und ein Mitschuldiger für unser jährliches Czar Fest.
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Nach welchen Kriterien pickst du deine Künstler?
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Normalerweise entscheiden die ersten paar Sekunden von einem Demo ob ich auf etwas Bock habe. Oft finde ich’s auch spannend wenn Bands interessante, charmante und intelligente Konzepte haben. Es kann auch passieren, dass ich mit einer Band ins Gespräch komme, wenn ich sie live gesehn habe und sie mich damit überzeugt haben. Oft sind es Leute, die ich bereits persönlich kenne. Wichtig ist mir sicher auch die Authentizität des Schaffens eines Künstlers. Es ist cool wenn gewisse Bands aus richtig guten Musikern bestehen. Oft kommt es aber auch vor, dass einem eine Band Gänsehaut bereitet, die technisch nicht ganz so versiert ist, dafür aber unerklärlich mit dem Universum kommunizieren kann. Jede Band muss irgendwie etwas Besonderes vermitteln für mich. Ich habe mir im Laufe der Zeit außerdem ein solides Promonetz aufbauen können. D.h. wenn ich mich für eine Band entscheide, sollte ich auch das Gefühl haben, dass diese mit meinen Promokontakten kompatibel ist. Glücklicherweise gibt es viele Magazine und Radios, die sich musikalisch und auch vom Idealismus her ähnlich verhalten wie wir.
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Welche Platte verkauft sich denn am besten? Gibt es eine Veröffentlichung auf die du besonders stolz bist?
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Es ist schwer zu sagen, das ändert sich immer wieder. Verkaufzahlen sind in ständigem Wandel und ich habe da aktuell nicht so die genaue Übersicht. Was sich sicherlich überdurchschnittlich gut verkauft hat war zum Beispiel das Debüt von Serafyn. When Icarus Falls, GURD, Wolf Counsel oder Neo Noire liefen auch ganz ordentlich. Was aber nicht heißt, dass ich da stolzer drauf bin als auf andere Releases. Ich behandle meine Bands wie Kinder, weil ich sie alle ungefähr gleich fest liebe ab dem Moment wo ich mich auf sie einlasse ;-).
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Ihr veröffentlicht die Musik eurer Artists in erster Linie auf analogen Tonträgern. Wie stehst du digitaler Musik gegenüber und über welches Medium konsumierst du selbst am liebsten und warum?
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When Icarus Falls

Wir releasen genauso digital wie auch physisch. Digitalen Vertrieb wegzulassen ist heutzutage kontraproduktiv, es sei denn es ist ein striktes Konzept der Band sich gegen den digitalen Konsum zu stellen, sowas könnte ich mir durchaus vorstellen. Ich selber konsumiere Musik oft von dem heutzutage wohl „uncoolstem“ Medium, der CD – haha. ich weiß, Vinyl ist toll, ich hatte ja auch mal einen Plattenspieler. Jedoch habe ich diesen verschenkt, weil ich seit ein paar Jahren auf kleinem Raum wohne, damit ich mit Label & Bands finanziell überhaupt über die Runden komme. Zu Hause konsumiere ich durchaus auch über Youtube & Spotify. An Konzerten unterstütze ich gerne Bands indem ich mir eine CD kaufe. An all die jetzt plötzlich Vinyl-coolfindenden und CD-uncoolfindenden Hipsters: Vielleicht wird die CD untergehen, aber auch diese wird ihr Revival haben… Ich meine, sogar Tapes haben’s geschafft. Und das CD Format finde ich persönlich absolut hübsch. Vor allem wenn’s in einer geschmackvollen Kartonhülle daherkommt.

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Wie wichtig sind dir die Verkaufszahlen?
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Bei unserem Konzept sind wir nicht abhängig von Verkaufszahlen. Damit ich so arbeiten kann wie ich arbeite, muss meine Arbeit pauschal von den Bands bezahlt werden, diese bekommen dafür 100% der Einnahmen unserer Vertriebe. So komme ich über die Runden und bin auch nicht von kommerziellen Platten abhängig. Ausserdem ist es buchhalterisch etwas einfacher so. Schön an dem Konzept ist halt auch, dass wir uns allen Bands gleich widmen. Bei einem Label, das Prozente an den Verkäufen hat ist das Problem, dass es sich hauptsächlich auf die hypenden Geschichten konzentriert. Das ist der Moment wo kleine Bands sagen: „Das Label macht nichts für uns“. Bei dem Konzept ist das dann aber auch verständlich, die müssen ja auch von etwas leben. Verkäufe sind mir vor allem wichtig um eine gute Zusammenarbeit mit unseren Vertrieben zu wahren und um Bands ganz einfach zu ermöglichen, dass zumindest ein Teil ihrer Ausgaben auf dem Weg zurückkommt.
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Label-Arbeit kann schnell zum Fulltime-Job werden. Kannst du davon leben oder hast du ein zweites Standbein neben Czar Of Crickets?
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Ich lebe zum grössten Teil von der Labelarbeit, der Rest ist eher Taschengeld von Zatokrev und The Leaving. Und ja, es ist sogar mehr als ein Fulltime-Job. Zur Zeit würde ich mein Arbeitspensum auf 120 – 150% schätzen. Da ist es halt praktisch, dass ich hauptsächlich von zu Hause aus arbeiten kann.
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Inwiefern findest du Labels anno 2017 noch wichtig? Was bietest du deinen Schützlingen?
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Remember where you saw ‚em first…

Ein Label hat als erstes den Job zu „labeln“. Durch unsere Aufbauarbeit tut es dies bei uns mehr und mehr. Außerdem ist es wichtig, dass ein Label seinen Job macht und eine sinnvolle Infrastruktur bietet. Wir haben ein gut funktionierendes Vertriebs-System in Europa. Plastic Head regelt außerdem auch Importgeschichten und den weltweiten Digital-Vertrieb. Wir stecken viel Arbeit in Promotion, was bei so manchen anderen Labels auf der Strecke bleibt, aber genau das ist, was Bands oft vor allem wollen. Außerdem organisieren wir diverse Events, wie zum Beispiel das Czar Fest, wo dieses Jahr z.B. auch Zeal & Ardor ihr Debütkonzert zum besten gaben. Dazu kommen diverse Tourprojekte die noch Aufbauarbeit benötigen, wie z.B. das Road Fest oder Borderline Tours. Wir machen auch ein Minifestival in Zusammenarbeit mit unserem lokalen Kult-Punk-Keller, dem Hirscheneck – das Festival heißt Deer Fest. Plus: wir beginnen eine Reihe von Ausstellungen, wo Einzelkünstlern von Czar-Bands eine Plattform für Liveshows geboten wird. Ein weiteres Minifestival mit Solokünstlern ist ebenfalls in Planung. Somit bieten wir Bands Auftrittsmöglichkeiten plus Plattformen für Grafiker, Fotografen, Skulpturisten etc. etc. die direkt mit den Bands zu tun haben um ihr Werke auszustellen.

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Czar Fest 2017

Gibt es ein besonderes Erfolgserlebnis in der Label-History an das du dich gerne zurückerinnerst? Meilensteine? Highlights?

Ich denke, dass das diesjährige und beinahe ausverkaufte Czar Fest ein ziemliches Highlight war. Großartige Bands und Aussteller, ein fantastisches Publikum, großartige Helfer usw.. Wir freuen uns schon auf’s nächste Jahr.
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Du bist, wie du schon erwähnt hast, auch selbst als Musiker aktiv. Was steht denn demnächst so bei deinen Bands und Projekten an?
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Mit Zatokrev spielen wir als nächstes am Up In Smoke Festival, danach gehn wir auf Osteuropatour und im Dezember spielen wir ein paar Shows in Europa mit Enslaved. Außerdem arbeiten wir an einem neuen Album und an einer Split-LP. Details dazu sind noch nicht öffentlich, werden aber bald bekanntgegeben. Mit The Leaving spiele ich diese Jahr nur noch ein paar wenige Shows. Sobald ich die Zeit finde möchte ich ebenfalls ein neues Album in Angriff nehmen.
The Leaving
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Seit kurzem ist der CzarShop aktiv. Was genau hat es damit auf sich?
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Das war ursprünglich eine Plattform wo wir Produkte unserer Labelbands verkauften, damit diese mehr verdienen konnten als über die gängigen Ladenverkäufe. Heutzutage haben wir ein Sortiment von verschiedenen Schweizer Künstlern oder auch Künstler aus dem Ausland, die aber auf Schweizer Labels released wurden. Also was du in erster Linie im Shop vorfindest, ist eine großartige Schweizer Szene.. das beinhaltet sowohl namhafte Bands wie Celtic Frost, Triptykon oder Young Gods, als auch Top-Bands aus dem tiefsten Underground, wie z.B. SNARF, die ihre CD-R’s über diesen Kanal verkaufen.
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Wie siehst du die Zukunft von Czar Of Crickets?
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Es stehn für nächstes Jahr wieder grossartige Releases an. Wir machen im April wieder ein Czar Fest, diverse Minifestivals, Ausstellungen und Tours und bauen auch den CzarShop weiter aus. Es werden nebst Tonträgern von weiteren Schweizer Bands, auch handgemachtes Merchandise und Kunstartikel dazukommen, die direkt mit der Schweizer Musikszene in Verbindung stehen.
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Frederyk, danke für deine Zeit und die letzten Worte gehören natürlich dir!
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Ich habe zu danken. Vielen Dank für dein Interesse. Und an die Musikliebhaber, Medien und andere Verrückte da draussen: Checkt unser Angebot und meldet euch bei uns, aus welchen unerfindlichen Gründen auch immer.
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