Über sich selbst hinauswachsen – Ein (W)Interview mit KORA WINTER (Ngf012)

Erst vor Kurzem wurde auf diesen Seiten das neue Video und auch die aktuelle EP der Hardcore/Metal-Exoten KORA WINTER gefeatured. Wer aufgepasst hat, weiß nicht nur wie es um die Sonderstellung der Band im Genrekosmos bestellt ist sondern auch, dass der Fünfer es versteht textlich wie musikalisch in die Tiefe zu gehen. Es hat also doch hoffentlich niemand ernsthaft geglaubt, ein Interview mit den Berlinern könnte auch nur ansatzweise öde ausfallen, oder? Eben! Checkt nachfolgend den kleinen aber feinen Schriftverkehr, der kürzlich mit Karsten und Hakan geführt wurde.

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Euer aktuelles Werk trägt den Namen Welk und knüpft textlich wie konzeptionell an den Vorgänger Blüht an. War euch damals schon bewusst, dass ihr eurem Debüt
mal eine wütende Schwesterscheibe zur Seite stellen werdet?

H: So halb. der Schreibprozess zu Welk begann schon, während wir parallel noch die Aufnahmen für Blüht fertig stellten. Dadurch liefen die Welk– und die Blüht-Phase ineinander über, was dann in einer gewissen Konvergenz der beiden Werke mündete. Wir fanden diese Arbeitsweise sehr anregend, weil wir so mit der Musik ein großes, komplexes Gesamtkunstwerk erschaffen konnten, welches sich mit jedem neuen Lied ein Stück definieren, aber auch verschachteln kann. Das hat uns besser gefallen, als jedes Lied als geschlossenen Kreis zu sehen.

Welk ist nach eurer eigenen Aussage von negativen Erlebnissen geprägt, die Musik demnach ein Stück weit Katharsis. Habt ihr die schlechten Erfahrungen im Laufe der Zeit als Inspirationsquelle zu schätzen gelernt?

K: Ja, definitiv. Krisen lassen sich nicht vermeiden, sie gehören zum Leben und sie formen uns. Wie man mit ihnen umgeht ist der entscheidende Punkt, denn in jeder Krise steckt auch eine Chance sich ein Stück mehr zu finden, eine weitere Schlangenhaut abzuwerfen und über sich selbst hinauszuwachsen.

Eure Texte scheinen mehr zentraler Angelpunkt denn fades Beiwerk zu sein. Steht die Lyrik in euremSchaffensprozess schon vor der Musik und wie wichtig ist euch dabei die deutsche Sprache?
H: Man könnte das Gegenteil annehmen, doch die Texte schreibe ich ausschließlich erst, wenn das Instrumental fertig steht. Dafür bringe ich mich für meinen Teil beim Songwriting viel im Bereich Arrangement und Song-Dramaturgie ein, damit sich am Ende Musik und Text ergänzen und voneinander leben können.

K: Die Sprache entscheidet nicht darüber wie gut ein Lied klingt. Viel wichtiger ist, wie authentisch das Lied dargeboten wird. Man muss jetzt nicht unbedingt auf Deutsch singen nur weil man aus Deutschland kommt, es fällt uns aber einfach leichter uns in unserer Muttersprache auszudrücken. Wir haben so viel mehr Möglichkeiten und können so eher Intimität aufbauen.

Gibt es denn den Plan, die Thematik zur Triologie auszuweiten?

H: Aktuell nicht, erstmal steht unser Album auf dem Plan. Ich kann allerdings verraten, dass es neben neuen Motiven auch wieder Bezüge zu Welk und Blüht geben wird.

Fühlt ihr euch einer Szene zugehörig? Wenn ja, wie wichtig ist euch diese?

H: Einer Szene würden wir uns nicht zuordnen können, für die Metalcore-Freunde waren wir eher Hardcore, für die Hardcore-Freunde eher Metalcore. Für die Metal-Freunde sind wir dann eher Progressive, für ProgressiveMetal-Freunde dann wieder eher Metal. In dieser Nische fühlen wir uns ziemlich wohl. Aber wir sind dennoch gerne mit anderen Künstlern vernetzt. Das geht über Genregrenzen hinaus, von Metal über Pop hin zu Hip Hop – wir zeigen Liebe für jeden in unserem nahen Umfeld, der einzigartige, leidenschaftliche Musik macht und suchen auch gerne Berührungspunkte. So kam es zum Beispiel auch zum -Skit mit Lisa auf Welk.

Gutes Stichwort! Bei besagtem Skit handelt es sich um den von der Sängerin Lisa Toh neuinterpretierten Schlager Es War Einmal Ein Fischer, dem ihr nicht nur den zentralen Platz auf eurer Scheibe eingeräumt habt, sondern dessen Performance auch komplett ohne euer Zutun vonstatten ging. Wie kam es denn zu diesen Entscheidungen bzw. der Zusammenarbeit und handelt es sich bei der Sängerin denn um die gleichnamige Dame aus dem ESC Vorentscheid?

H: Ich hatte Lisa über meine Uni in Berlin kennengelernt, wo ich hörte wie sie das Lied Acapella vortrug. Ich war komplett umgehauen von ihrer Stimme und ihrer Präsenz, prompt habe ich mein Smartphone gezückt und ihren Gesang heimlich aufgenommen, um
es später der Band vorzuspielen. Schließlich waren alle überzeugt, dass Lisa mit dieser Performance auf unsere EP muss. Zum Glück sagte Lisa zu, obwohl sie kaum was mit harter Musik anfangen konnte. Ihren Part haben wir dann mit zahlreichen Mikrofonen in der Eingangshalle vom Albrecht Daniel Thaer-Institut für Agrar- und Gartenbauwissenschaften der Humboldt-Universität aufgenommen – das ist ausschließlich echter Hall, den man auf der Aufnahme hört. Von der ESC-Sache hatte keiner von uns damals einen blassen Schimmer, hätte ich davon gewusst, hätte ich mich wahrscheinlich gar nicht getraut Lisa überhaupt zu fragen.

Euer experimenteller Ansatz und Mut zur Eigenständigkeit sucht seinesgleichen und hat mich gerade deshalb gleich angesprochen. Mal ehrlich: Seid ihr vom allgegenwärtigen Einheitsbrei nicht auch eher gelangweilt?

H: Es wäre vermessen von mir, andere Künstler für ihre Musik so arg abzustempeln, aber natürlich sehe ich auch gewisse Strömungen und wiederkehrende Ästhetiken im Genrekosmos. Ich kann aber auch nachvollziehen, dass sich Künstler manchmal eher an das klemmen, von dem sie wissen dass es gut bei einer Zielgruppe ankommt (ob nun bewusst oder unterbewusst), schließlich bedeutet das ein minimales Risiko zu scheitern. Wir wollten das allerdings von Anfang an aktiv umgehen, müssen aber dann auch beispielsweise mit der ein oder anderen Unzufriedenheit mit Elementen auf Blüht leben. Dafür lernen wir, autodidaktisch uns selbst zu 100% mit unserem Sound zu repräsentieren und eben diese Entwicklungen auch transparent offenzulegen. Nur so lernen wir zusammen mit unserem Produzenten immer weiter an uns zu arbeiten und Stück für Stück unseren eigenen Stil herauszubilden. Programmierte MIDI-Drums und glattgebügelte Gitarren funktionieren bei anderen, aber nicht bei uns.

Neben zahlreichen anderen Sparten zählt ihr auch Nu Metal zu euren Einflüssen, was in etwa mein wissenschaftliches Spezialgebiet ist. Haha. Eure fünf Genre- Favs, bitte!

Haha! Nichts lieber als das:
Linkin Park – Meteora
Slipknot – Vol. III (The Subliminal Verses)
KoЯn – Follow the Leader
Limp Bizkit – Chocolate Starfish And The Hot Dog Flavored Water
P.O.D. – Satellite
In die Liste gehört eigentlich ohne Frage noch Deftones’ White Pony, allerdings wollen sie ja nichts mit Nu Metal zu tun haben. Insgeheim wissen wir doch aber alle, dass sie die beste Nu Metal Band aller Zeiten sind…

Was steht in naher Zukunft an bei euch?

H: Wir nehmen unser Debüt-Album im Herbst auf! Bis dahin spielen wir ein paar Konzerte und planen auch eine Tour, weitere Videos zu Welk kommen auch noch. Es bleibt spannend im Hause Kora, wir lieben was wir gerade tun und sind jeden Tag motiviert, was geiles auf die Beine zu stellen.


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Interview vom 20.05.2017

Kommentare

Eine Antwort zu „Über sich selbst hinauswachsen – Ein (W)Interview mit KORA WINTER (Ngf012)“

  1. […] ist man vom Gesamtkonzept garnicht mal so weit weg von dem, was die bereits im Blog gefeatureten  Kora Winter so zum Besten geben. Obgleich es auf Ignoranz und Illusion im direkten Vergleich etwas gemäßigter […]

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